Hauptwerk 1990-1997

Facettenreicher Realismus – das Matthäuskirchturmprojekt, Stillleben und Frauenakte

 

Nach Abschluss des Ausstellungsprojektes „Das Verborgene Museum“ wandte Breitling sich in den 90er Jahren vermehrt der Weiterentwicklung ihrer eigenen Malerei zu. Das Ausstellungsprojekt hatte zwar ihren Bekanntheitsgrad als engagierte und feministisch denkende Künstlerin gesteigert, Breitling musste aber auch harte Kritik von der Seiten der sich gegen 1989 neu formierenden feministischen Kunstwissenschaft hinnehmen. Schon damals zeichnete sich eine Tendenz ab, die bis zum Ende ihrer künstlerischen Laufbahn fortbestanden hat. Von Seiten der feministischen Kunstgeschichte schenkte man ihrem künstlerischen Werk kaum Beachtung, während sie als feministische Kunsttheoretikerin kritisch beäugt und rezipiert wurde.

 

Bereits 1987 beteiligte sie sich an dem Wettbewerb zur Gestaltung des Kirchturms der St. Matthäus-Kirche auf dem Kulturforum in Berlin Tiergarten, der vom Evangelischen Forum Berlin ausgeschrieben worden war und den sie gewann. Ab 1988 entstanden erste Studien zur Konzeption von Wandgemälden, mit denen sie laut Ausschreibung den Text des Matthäus-Evangeliums in Bezug auf die Berliner Gegenwart künstlerisch umsetzen sollte. Es handelte sich bei dieser Aufgabe um ein anspruchsvolles Auftragswerk, mit dem sie über die Zeitpanne von 5 Jahren eine gewisse finanzielle Absicherung für sich erreichen konnte. Die Wandtafeln wurden im Rahmen einer Begleitausstellung in der St. Matthäuskirche 1993 feierlich übergeben – nach Projektabschluss erfolgte 2003 noch eine Veröffentlichung des Projektes in Buchform.

 

Die 16 gestalteten Bildtafeln, die nicht mehr ganz vollständig im Turm der St. Matthäuskirche zu besichtigen sind, stellen zusammen mit den dazu als Vorarbeiten entstandenen Skizzen und Entwürfen einen geschlossenen Werkzyklus dar, in dem Breitling auf den Erfahrungsschatz ihrer in den 60er bis Mitte der 70er Jahre geschaffenen Werke zurück greift. Bereits ihr Frühwerk zeugte von der intensiven künstlerischen Auseinandersetzung mit Mythen, sowohl aus der antiken Sagenwelt als auch aus der christlichen Mythologie, die von ihr eigenwillig interpretiert worden sind. Aufbauend auf diese Vorerfahrung muss ihr die Aufgabe, einen biblischen Text in Bezug auf die Gegenwart aus ihrer Perspektive als feministisch denkende Künstlerin bildlich auslegen zur dürfen sehr reizvoll erschienen sein: nun konnte sie vor dem Hintergrund ihrer gereiften malerischen Ausdrucksmöglichkeiten eine vielschichtige Übersetzung des biblischen Textes in eine Bildfolge großen Formats mit souveränem Gestus schaffen.

 

Zur gleichen Zeit wurde sie Mitglied des Künstlersonderbundes, der sich nach dem Zusammenbruch der DDR und ihrem Zusammenschluss mit Westdeutschland 1990 in Berlin gegründet hatte. Der Künstlersonderbund, in dem sich zahlreiche mit ihr befreundete Künstler_innen zusammenschlossen und an dessen Ausstellungen Breitling sich seither regelmäßig beteiligte, hatte sich der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Tendenzen realistischer Malerei im geeinten Deutschland verschrieben.

 

1993 nahm sie erneut die kunsthistorische Forschungsarbeit über eine Künstlerin auf und widmete sich der in völlige Vergessenheit geratene Renaissancemalerin Elisabetta Sirani. Ihre Recherche wurde zunächst vom Berliner Senat gefördert, Breitling führte sie dann ab 1997 aus eigenen Mitteln weiter und konnte sie leider nicht mehr zum Abschluss bringen.