Übergang 1976-1987

Entwicklung der eigenen malerischen und intellektuellen Position

 

In dieser Phase zeigt sich Breitling als Künstlerin, die ihren bisherigen dem phantastischen Realismus zugeordneten Malstil durch Variationen experimentell erweitert. Dabei ging sie zweigleisig vor: sie erarbeitete sich die theoretische Basis für ihre Selbstverortung als gegenständliche Malerin und erneuerte parallel dazu ihre künstlerische Darstellungsweise. Breitling löste sich aus dem Umfeld des „Phantastischen Realismus“, einer Kunstrichtung, der sie bis 1977 noch zugerechnet wird und wandte sich stattdessen der Malerei der „Schule der neuen Prächtigkeit“ zu. Diese Künstlergruppe der Berliner Maler Johannes Grützke, Manfred Bluth, Matthias Koeppel und Karlheinz Ziegler wurde 1973 gegründet und wollte innerhalb der Kunstszene Berlins eine bewusste Gegentendenz zu der damals favorisierten abstrakten Malerei setzen.

 

Beeinflusst und gestützt durch die zweite feministische Bewegung in Westdeutschland ging Breitling in der Mitte der 70er Jahre selbst in die intellektuelle Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Missständen und begann neben ihrer Malerei zu schreiben. In dieser Phase der intensiven Suche nach Selbstdefinition und Selbstverortung entstanden parallel zu ihren Texten zahlreiche Bilder und Selbstporträts, in denen sie sich mit künstlerischen Größen „klassischer“ Kunstgeschichtsschreibung so etwa van Eyck, Dürer, Cranach, Rembrandt, Goya, Menzel aber auch Dalí auseinandersetzt. Davon künden „Selbst mit Turban“ (1976) oder auch „Gedanken an Jan van Eyck“ (1976) ebenso wie das Gemälde „Col tempo“ (1978) in dem sie sich selbst als Halbakt in Szene setzt. Ihr Gemälde „Alice hinter den Spiegeln“ wurde neben etwa 180 Werken anderer Künstlerinnen auf der ersten internationalen Künstlerinnenausstellung „Künstlerinnen International 1877-1977“ in Westberlin gezeigt.

 

Ein erneuter Italienaufenthalt Breitlings im Jahr 1978 ist von großer Bedeutung für ihre malerische Entwicklung. In Italien konnte sie die Techniken der Renaissancemalerei intensiv studieren und für ihre eigene Kunst adaptieren. Die von männlichem Voyeurismus geprägte Darstellung weiblicher Körperlichkeit, die sie in der Renaissancemalerei vorfindet, entsprach jedoch nicht ihrem Darstellungsinteresse. Nicht zufällig entstanden in diesem Zeitraum zahlreiche weibliche Torsi, die keinen Kopf haben und nach Ergänzung suchen, so das Werk „Versuch den Torso zu ergänzen“ (1977) oder dann wiederum die Arbeit „Die andere Maja auf dem Balkon“ (1977), in der ein weiblicher Kopf auf den deformierten Rumpf eines verzerrten Frauenkörpers aufgesetzt ist.

 

In dieser Zeit begann sie ihr erstes literarisches Werk, das bahnbrechende Buch „Die Spur des Schiffs in den Wellen“ (1980), in dem sie sich auf die autobiografische Suche nach weiblichen Künstlern in der Geschichte begibt. Ihre intellektuelle Auseinandersetzung mit der Außenseiterposition von Frauen in der kunstgeschichtlichen Tradition steht in enger Verbindung mit ihrem eigenen künstlerischen Schaffen und liefert eine Erklärung dafür, wieso dieser Zeitabschnitt durch zahlreiche Wechsel in ihrem Malstil geprägt ist. Es ist die Phase des intensiven Suchens, Austestens und Überprüfens der eigenen künstlerischen Ausdrucksmittel, eine Fähigkeit, die sie als wahre Könnerin ihres Fachs auszeichnet.

 

Sie verfasste zunehmend Texte zum Themenspektrum Kunst von Frauen und positionierte sich damit auch als Theoretikerin im feministischen Diskurs. In ihren Texten mahnt sie das Fehlen einer weiblichen Traditionslinie in der Kunst an – sowohl das Fehlen weiblicher Vorbilder als auch der Bildvorstellungen, die aus einer weiblicher Perspektive entstehen. Mit ihren scharf formulierten und analytischen Textbeiträgen wandelte sich die Künstlerin Breitling zu einer Identifikationsfigur des künstlerischen Feminismus in Westdeutschland.

 

Ihre Beschäftigung mit historischen Künstlerinnen führte auch zu der Entwicklung eines Ausstellungsprojektes, das sie gemeinsam mit der Berliner Künstlerin Evelyn Kuwertz angestoßen hat. Das Konzept zur Ausstellung „Das Verborgene Museum“ sah vor, in den Depots der Westberliner Museen nach Werken von Künstlerinnen zu suchen und diese in einer Ausstellung der Öffentlichkeit zu präsentieren. Es wurde durch die „Neue Gesellschaft für bildende Kunst“ zusammen mit einem Team von Kunsthistorikerinnen realisiert. Breitlings Engagement für diese Ausstellung, die 1987/88 in der Akademie der Künste in Westberlin gezeigt worden ist, führte dazu, dass sie ihr Kunstschaffen phasenweise zurückstellen musste.

 

Dennoch erarbeitet sie sich gerade in dieser Zeitspanne ein neues Selbstverständnis als Künstlerin, sowohl malerisch als auch intellektuell. Davon zeugen die zahlreichen intensiven Selbstporträts, die um 1987 entstanden sind und die vielen, teilweise anonymen Frauenporträts, die einen ungewohnten Blick auf das weibliche Geschlecht offenbaren. Seit 1982 stellte Breitling Frauen nicht mehr als mythologische Gestalten dar, sondern als reale Frauenpersönlichkeiten, aus einer von innen geleitenden Perspektive heraus.