Biografie

 

Gisela Breitling wurde am 27. Mai 1939 als zweitältestes Kind von Paul-Friedrich und Maria Breitling (geb. Widmann) in Berlin geboren. Die Familie zog 1943 kriegsbedingt nach Lindau am Bodensee, wo Gisela Breitling ihre weitere Kindheit und Jugend verbrachte.

 

Nach dem Schulabschluss machte sie 1958 zunächst ein Druckereipraktikum und begann eine Lehre als Musterzeichnerin in Lindau. 1960 nahm sie das Textilingenieurstudium an der Hochschule in Krefeld auf und besuchte dort die Meisterklasse von Elisabeth Kadow. Im Anschluss an ihr Diplom reiste sie 1962 nach Rom und Florenz, wo sie die Kunst der Renaissance erstmals am authentischen Entstehungsort erleben konnte – sie besuchte damals auch den manieristischen Skulpturengarten von Bomarzo.

 

Im Jahr 1962 nahm sie das Kunststudium an der Hochschule der bildenden Künste in Westberlin auf, zunächst bei Hans Jaenisch, einem abstrakt arbeitenden Maler, dessen Klasse sie nach einem Jahr bereits verließ und zu Friedrich Stabenau wechselte, der die Klasse für freie Grafik leitete und dessen Meisterschülerin sie wurde. Während des Studiums entstanden bis 1968 zahlreiche ihrer graphischen und druckgraphischen Arbeiten. Erste Einzel- und Gruppenausstellungen im Umfeld des phantastischen Realismus, mit dem Berliner Künstler Peter Collien, prägen diese Phase.

 

Ein Stipendium des Institut Français in Berlin ermöglichte es ihr, während eines dreimonatigen Gastaufenthaltes an der École des Beaux Arts in Paris bei Prof. Camy die Technik des Kupferstiches zu studieren. Die Hochschule musste wegen der Studentenunruhen in Paris geschlossen werden und Breitling kehrte nach Berlin zurück, wo sie bis 1974 in Berlin Moabit lebte und ein kleines Atelier unterhielt.

 

Anfang der siebziger Jahre schloss Breitling sich der Künstlergruppe um die Galerie Miniature an. Im Umfeld dieser Buch- und Kunsthandlung, in der sich bildende Künstler und Literaten begegneten, entstanden die Editionen der Sammlung Anabis, an denen Breitling sich beteiligte. Neben ihrem bereits entwickelten graphischen Werk, erweiterte sie ihr malerisches Repertoire beständig. Sie wurde Mitglied der Berliner Gruppe 70 und der Künstlergruppe Akanthus, deren Mitglieder Manfred Sillner und Otfried Culmann, als Schüler Mac Zimmermanns, dem phantastischen Realismus zugerechnet wurden. Zusammen mit ihnen realisierte sie mehrere Ausstellungen und blieb bis Mitte der 70er Jahre in dieser Kunstrichtung verhaftet. Im Jahr 1977 war sie bereits an dem ersten feministischen Ausstellungsprojekt europäischen Ranges in Berlin, der Ausstellung „Künstlerinnen International 1877-1977“, beteiligt.

 

Ein Stipendium ermöglichte es ihr 1978 ein weiteres Mal nach Italien zu reisen. Während des einjährigen Studienaufenthaltes an der Villa Massimo in Rom setzte sie sich intensiv mit der Malerei der Renaissance auseinander, was ihren Malstil nachhaltig veränderte und zu einem Durchbruch in ihrem malerischen Werk führte. In dieser Zeit begann sie auch ihre Recherche nach historischen Künstlerinnen und verfasste ihr erstes Buch „Die Spur des Schiffs in den Wellen“, das 1980 erschien. Fortan entwickelte sie neben ihrem malerischen Oeuvre ein umfangreiches literarisches Werk, in dem sie versuchte die Gründe für die Unterrepräsentanz der Kunst von Künstlerinnen in der Kunstgeschichte zu benennen.

 

Anfang der achtziger Jahre wurde sie durch die Verbreitung ihres Buches zu einer wichtigen Referenz im feministischen Diskurs jener Zeit und initiierte zusammen mit der Berliner Künstlerin Evelyn Kuwertz das Ausstellungsprojekt „Das Verborgene Museum“. Im Vorfeld dieser Ausstellung, die 1987/88 in der Akademie der Künste in Westberlin gezeigt worden ist, wurden umfangreiche Recherchen nach dem Verbleib der Kunst von Frauen in den Depots ausgewählter Westberliner Museen durchgeführt. Die Idee der Initiatorinnen war es, die in den öffentlichen Sammlungen verborgene Kunst von Frauen, in einer gesonderten Ausstellung sichtbar zu machen. Aus dem Projekt ging der gleichnamige Verein „Das Verborgene Museum“ hervor, an dessen Gründung Breitling maßgeblich beteiligt gewesen ist. Durch ihr politisches Engagement und ihre scharfsinnigen Analysen wurde Breitling zunehmend zu einer angesehenen feministischen Denkerin, mit der Konsequenz, dass ihr künstlerisches Werk seit Ende der 90er Jahre weniger Beachtung fand und wahrgenommen wurde. Zwischen 1985 und 1987 hatte sie eine Gastprofessur an der Gesamthochschule Kassel und einen Lehrauftrag an der Hochschule der Künste in Berlin inne.

 

Nachdem sie 1987 den Wettbewerb zur Gestaltung des Turms der St. Matthäuskirche am Kulturforum in Berlin gewonnen hatte, nahm sie 1988 die Arbeit daran auf und gestaltet ein umfangreiches Bildprogramm für den Innenraum des Turmes. Grundlage für ihre zeitgenössische bildnerische Interpretation eines biblischen Themas waren die Texte des Matthäusevangeliums. Es entstanden 16 Bildtafeln, in denen Breitling ihr ganzes künstlerisches Repertoire und malerisches Können, das sie sich dahin erarbeitet hatte bündelt und in einem großzügig angelegten Bildzyklus vereint. Im Zuge dieses Auftragswerkes, das sie 1992 abschloss, entstanden zahlreiche Vorstudien und Skizzen, die 1993 im Zusammenhang mit der Übergabe der Bildtafeln in einer Ausstellung in der St. Matthäuskirche in Berlin gezeigt worden sind. Der gesamte Werkkomplex dokumentiert den hohen intellektuellen und künstlerischen Anspruch Breitlings an sich selbst und war zugleich ihr letztes Großprojekt. Danach wandte sie sich überwiegend Stillleben zu und malte eine Vielzahl von Frauenporträts. Mit ihren Darstellungen von Frauenpersönlichkeiten erfasste Breitling die Individualität der jeweiligen Frau mit einer ungewohnt selbstbewussten Präsenz weiblicher Körperlichkeit. Daneben war sie weiterhin gefragte Autorin zahlreicher Texte über Künstlerinnen und hat 1993 ein Forschungsprojekt zu der italienischen Renaissancemalerin Elisabetta Sirani begonnen, das sie nicht mehr zum Abschluss bringen konnte.

 

Als Anerkennung ihres unermüdlichen Engagements für die Gleichstellung von Frauen in der Kunstwelt wurde ihr 2001 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

 

Seit 2014 lebt Gisela Breitling aufgrund einer fortschreitenden Demenzerkrankung in der Seniorenresidenz in Berlin Lankwitz.